Ebene 2.2: Soziale Basiskompetenzen

 Im Bereich der sozialen Basiskompetenzen dreht sich alles um die aktive Beziehungsgestaltung mit anderen Menschen. Die Grundlage bilden hier Teile des Modells der sozialen Intelligenz von Mayer und Salovey, wie sie in der Beschreibung von Goleman (2005) dargestellt sind, aber auch viele weitere Ansätze. Der Mensch ist nach Aristoteles ein "zoon politikon". Er drückte damit die Idee aus, dass Menschen ihre vollständigste Verwirklichung und ihr höchstes Gut in der Gemeinschaft, insbesondere in der politischen Gemeinschaft, finden. Das Konzept betont die inhärente soziale und politische Natur des Menschen und die Bedeutung der Gemeinschaft für die menschliche Erfahrung und das Wohlbefinden. Die moderne Glücksforschung, die sich mit den Einflüssen auf das persönliche Wohlbefinden beschäftigt, also damit, was Menschen glücklich macht, belegt, dass die Qualität unserer sozialen Beziehungen unsere Lebensqualität in höchstem Maße bestimmt. Aus Studien der Organisationspsychologie wissen wir, dass dies auch für den Arbeitskontext (Arbeitszufriedenheit) und die Leistungsbereitschaft gilt (was hoffentlich wenig verwundert).

Es liegt also auf der Hand, welche Bedeutung soziale Fähigkeiten haben. Das betrifft besonders Menschen, deren Aufgabe es ist, aktive und zielorientierte Beziehungen zu gestalten, wie Führungskräfte, Politikerinnen, Lehrerinnen, Beraterinnen in den verschiedensten Ausprägungen dieser Begriffe. Welche Fähigkeiten sind also nötig, um hier erfolgreich zu sein?

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Auch hier beschäftigen wir uns nur mit einer speziellen Auswahl an Kompetenzen, die wir für den Bereich der Persönlichkeitsbildung und -Entwicklung besonders relevant halten. Schon jedes dieser vorgestellten Konstrukte ist sehr umfangreich und es bedarf deutlich genauerer und detailierterer Beschreibungen, um diese Begriffe zu schärfen und ihre Abhängigkeiten schlussendlich auch empirisch genauer nachzuweisen. Allerdings sollte auch aus diesen kurzen Erklärungen sichtbar werden, worum es bei den jeweiligen Kompetenzen im Kern geht und warum sie für Persönlichkeitsentwicklung so relevant sind. Hier sei nochmals auf die Grundintention des Metakompetnzmodells in seiner hirarchischen aber flexiblen Struktur hingewiesen. Man kann Fähigkeiten auf höheren Ebenen nicht entwickeln, wenn die darunterliegenden nicht zumindest in einem gewissen Maß ausgeprägt sind. Gleichzeitig gibt es zyklische Wechselwirkungen zwischen höheren und darunterliegenden Ebenen. Man muss aber in jedem Fall die Fundamente schaffen, bevor man den Balkon baut.

 

 


Die hier ausgewählten Aspekte der sozialen Basiskompetenzen sind:


Empathie

 

Empathie stellt die Basis aller sozialen Fähigkeiten dar. Der Begriff bezeichnet die Fähigkeit eines Individuums, die Gefühle, Gedanken und Perspektiven einer anderen Person zu erkennen, zu verstehen und sich in diese hineinzuversetzen. Sie geht über bloßes Mitgefühl oder Mitleid hinaus und beinhaltet ein tieferes Verständnis und Einfühlen in die emotionale Welt des anderen.

Es gibt zwei Hauptkomponenten der Empathie:

  1. Affektive Empathie: Diese bezieht sich auf die Fähigkeit, die Emotionen anderer Menschen zu fühlen, oft als ein Echo oder Spiegelung der Emotionen des anderen. Wenn jemand traurig ist und Sie sich ebenfalls traurig fühlen, wenn Sie ihm zuhören oder bei ihm sind, dann erleben Sie affektive Empathie.

  2. Kognitive Empathie: Diese bezieht sich auf die Fähigkeit, die Gedanken, Perspektiven und Gefühle einer anderen Person intellektuell zu verstehen, ohne notwendigerweise die gleichen Gefühle zu teilen. Es geht darum, sich in die Lage des anderen zu versetzen und seine Welt aus seiner Sicht zu betrachten.

Empathie ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von biologischen, kognitiven und sozialen Prozessen. Einen Aspekt liefern die Forschungen des Teams um den italienischen Forscher  Giacomo Rizzolatti das erstmals 1992  beschrieben hat, dass bei Affen (Makaken) gewisse Neuronen ("Spiegelneuronen") im Gehrin aktiv werden, die für das Ausführen von Bewegungen zuständig sind, auch wenn diese Bewegung nur bei anderen Tieren beobachtet wurde. Diese Neuronen spielen eine Rolle dabei, uns zu helfen, die Emotionen und Handlungen anderer zu "spiegeln" oder nachzuempfinden. Das Konzept der Empathie geht aber weit über Spiegelneuronen hinaus.

Zudem hat die kulturelle und soziale Erziehung einen großen Einfluss auf die Entwicklung und Ausprägung der Empathie. Individuen lernen durch Beobachtung, Interaktion und Anleitung, wie man empathisch auf andere reagiert.

Für Empathie ist die Fähigkeit zur gesteuerten Dissoziation nötig, die wir dem Emotionsmanagement zuordnen, da diese Fähigkeit auch essentiell für die Emotionsregulation ist. Ausserdem ist sie mit der Reflexionsfähigkeit verwandt. Es handelt sich um eine beabsichtigte (im Gegensatz zum pathologischen Begriff der Dissziation) Assoziation, ein Hineindenken und Hineinfühlen in andere, um eine andere Perspektive oder Sichtweise nachvollziehen zu können. Diese Fähigkeit ist natürlich auch Grundlage der Multiperspektivität, die wir dem Bereich der geistigen Flexibilität, also den kognitiven Basiskompetenzen zuordnen.

Eng mit der kognitiven Empathie verbunden, aber dennoch ein unterschiedliches Konzept, ist in der Psychologie die Theory of Mind (ToM). Beide betreffen unsere Fähigkeit, die Gedanken, Gefühle und Perspektiven anderer Menschen zu verstehen.

  • Kognitive Empathie: Wie bereits erwähnt, bezieht sich die kognitive Empathie auf die Fähigkeit, die Gedanken, Gefühle und Perspektiven anderer Menschen intellektuell zu verstehen. Es geht darum, sich in die Lage des anderen zu versetzen und seine Welt aus seiner Sicht zu betrachten, ohne notwendigerweise die gleichen Gefühle zu teilen. Kognitive Empathie ermöglicht es uns, zu antizipieren, wie sich jemand in einer bestimmten Situation fühlen könnte, und hilft uns bei der Kommunikation und Interaktion mit anderen.
  • Theory of Mind (ToM): ToM bezeichnet die kognitive Fähigkeit, sich bewusst zu sein, dass andere Menschen Gedanken, Wünsche, Absichten und Gefühle haben, die sich von den eigenen unterscheiden können. Es ist die Fähigkeit, den mentalen Zustand anderer zu inferieren und zu verstehen, dass andere Menschen Dinge auf eine Weise sehen und verstehen können, die sich von unserer eigenen Sichtweise unterscheidet. Ein klassisches Beispiel für ToM ist das "Sally-Anne"-Experiment, bei dem Kinder beurteilen müssen, wo eine Puppe nach einem versteckten Objekt suchen würde, basierend auf dem Wissen der Puppe und nicht auf dem eigenen Wissen des Kindes.

Zahlreichen sozialen Störungen, wie den Aspekten der "Dunklen Tetrade" (Narzissmus, Machiavellismus, Sadismus und psychopathie) leigt ein Mangel an Empathie zugrunde. Speziell Führungskräfte mit sochen Eigenschaften bzw. einem Mangel an Empathie sind toxisch.

Beziehungsmanagement

Beziehungsmanagement ein dynamischer Prozess, der aktive Beteiligung, Reflexion und Anpassungsfähigkeit erfordert. Es geht darum, sowohl die Bedürfnisse des anderen als auch die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und in Einklang zu bringen. Die Basis ist Empathie, das wichtigste Mittel Kommunikation und die ethische Ausrichtung des Handelns. der konstruktive Umgang mit Störungen (Konflikten) ein notwendiger Bestandteil. Charisma einerseits ein mittel andererseits ein Effekt der Fähigkeit zum Beziehungsmanagement. Die Fähigkeit zur aktiven Herstellung und Stabilisierung von positiven, tragfähigen Beziehungen ist wohl die eigentliche soziale Kompetenz. Die Grundlage ist aber hier schon eine entsprechende Selbstbeziehung, die auf allen bisher aufgezählten und beschriebenen Kompetenzen fußt. Selbstverständlich kann man die Fähigkeit der Herstellung von solchen positiven Beziehungen auch auf einer Ebene einer unbewussten Kompetenz auf hohem Niveau entwickeln, allerdings schließt das das den bewussten Managementaspekt aus. Kognitive Fähigkeiten ergänzen die sozialen um wesentliche Bereiche. Problemlösungskompetenz hilft eben beispielsweise auch bei sozialen Problemen. Entwickelte Persönlichkeiten sind sprichwörtlich in der Lage Herz und Hirn entsprechend zu verbinden.


Kommunikationsfähigkeit

Gute Kommunikationsfähigkeit ist von zentraler Bedeutung in fast jedem Aspekt des menschlichen Zusammenlebens. Es handelt sich dabei um die Fähigkeit, Informationen, Gedanken, Ideen und Gefühle effektiv und effizient zu vermitteln und gleichzeitig die Botschaften anderer Personen korrekt zu empfangen und zu verstehen. Aus unseren Erfahrungen gibt es in diesem Bereich die meisten Missverständnisse, was schon an sich mehrdeutig ist. Nach dem Soziologen und Systemtheoretiker Niklas Luhmann bestehen soziale Systeme aus Kommunikation und nicht aus Menschen (Diese sind allerdings „strukturell gekoppelt“). In mechanistischen Kommunikationstheorien wie dem Sender-Empfänger-Modell, das als Shannon-Weaver-Modell, 1948 von Claude Shannon und Warren Weaver formuliert wurde, wird Kommunikation noch als einfache „Informationsübertragung“ verstanden.

Ursprünglich wurde das Shannon-Weaver-Modell für technische Kommunikationssysteme, insbesondere für die Telekommunikation, entwickelt, hat aber seitdem breite Anwendung in der Kommunikationstheorie gefunden.

Das Grundkonzept des Modells ist relativ einfach und kann wie folgt beschrieben werden:

1. Sender: Der Sender ist die Quelle der Nachricht. Er möchte eine bestimmte Information oder Botschaft an einen Empfänger übermitteln.

2. Encoder: Bevor die Nachricht gesendet wird, muss sie in ein Format oder Signal umgewandelt werden, das übertragen werden kann. Dieser Vorgang wird als Kodierung bezeichnet.

3. Kanal: Dies ist das Medium, durch welches die Nachricht übertragen wird. In der Telekommunikation könnte dies beispielsweise ein Telefonkabel sein. Je nach Kontext können das aber auch andere Medien sein, z.B. Sprache, Schrift, Gestik etc.

4. Störquelle (Noise): Auf dem Weg vom Sender zum Empfänger können verschiedene Störungen auftreten, die die übertragene Botschaft beeinflussen oder verfälschen können. Dies kann technischer Natur sein, wie Rauschen in einer Telefonleitung, oder semantischer Natur, wie Missverständnisse in der Sprache.

5. Decoder: Sobald die Nachricht den Empfänger erreicht, muss sie von ihm in eine verständliche Form übersetzt oder "dekodiert" werden.

6. Empfänger: Dies ist die Person oder Einheit, die die Botschaft empfängt und interpretiert.

Shannon und Weaver fügten diesem Modell später noch den Aspekt des „Feedbacks“ hinzu, wobei der Empfänger als Reaktion auf die ursprüngliche Nachricht eine eigene Nachricht an den Sender zurücksendet. Dies erweitert das Modell zu einem Zwei-Wege-Kommunikationssystem. Diesem Modell liegt der grundlegende Irrtum zugrunde, nach dem Information eine Sache bzw. Ding wäre die man wie ein Amazon-Paket verschickt und der Empfänger, das vom Sender verpackte Ding auspackt und es dann wieder in der Ursprungsform vorliegt.

Moderne Kommunikationstheorien sehen Kommunikation eher als Co-kreativen Akt in dem die Bedeutungsgebung durch den Empfänger kontextspezifisch erfolgt. Übertragen werden also Reize die zur InformationsERSCHAFFUNG führen. Der deutsche Systemiker, Arzt, Psychotherapeut und Entwickler des „hypnosystemischen Ansatzes“ in Beratung und Therapie Gunther Schmidt formuliert es so: „Die Bedeutung einer Nachricht gibt immer der Empfänger!“. Natürlich kann der Sender diesen Prozess beeinflussen aber das Ergebnis der Kommunikation ist jedenfalls das was ankommt und das ist nur in seltenen Glücksfällen wirklich das was der Sender beabsichtigt hat. Frei nach Niklas Luhman kann man sagen, dass das Beste was wir erreichen können, ein zufriedenstellendes Missverständnis ist.

Aus unserer Erfahrung setzten die meisten Schulungsmaßnahmen (im besten Fall) hier an. Dies folgt dem Irrtum der klassischen Kommunikationsmodelle, nach denen Kommunikation eine Technik ist. Selbstverständlich setzt gute Kommunikation in den meisten Fällen AUCH gewisses Wissen und Technik voraus. Das nicht einmal das immer zutrifft zeigen gut eingespielte Beziehungen von Menschen die sich sprichwörtlich „blind“ (besser: stumm) verstehen.

Die Tatsache, dass gute Kommunikation deutlich mehr ist als eine Technik und das sie auf den bisher beschriebenen Metakompetenzen basiert, zeigt schon der fakt, dass der wohl wichtigste Aspekt bei der direkten Kommunikation das Zuhören und eben nicht das „Sprechen“ ist. „Verstehen“ als der versuch der Konstruktion der ursprünglichen Bedeutung ist ein höchst komplexer Vorgang. Der deutsche Kommunikationswissenschaftler Schultz von Thun beschriebt vier Ebenen auf der eine Nachricht verstanden werden kann, die Sachebene, die Beziehungseben, die Selbstoffenbarungseben und die Apellebene. Jede Nachricht hat aus unserer Sicht immer alle vier Anteile. Der Österreicher Paul Watzlkawick an den Schultz von Thun anschließt beschreibt schon die Sach- und die Beziehungsebene und postuliert, wie wir glauben zu Recht, dass die Sachebene von der Beziehungsebene gesteuert wird, diese als den Interpretationsrahmen für die Sachinformation bietet.

Gute Kommunikation basiert also auf einerseits auf einer „guten“ Beziehung, und gleichzeitig ist es das wichtigste Mittel zur Herstellung von guten Beziehungen. Wir sehen, wie bereits an einigen anderen Stellen, dass das Metakompetenzmodell weniger linearkausale Komponenten hat sondern im Sinne von systemischer Sichtweise zyklischer Logik folgt.

Vielleicht kennen Sie Aussagen von Politikern, die nach einer verlorenen Wahl das miserable Ergebnis auf „schlechte Kommunikation“ zurückführen, also ein bisschen plakativ ausgedrückt, damit sagen wollen, dass die Wähler zu blöd waren, die tollen Inhalte und Botschaften zu verstehen. Leider haben wir zu der Zeit als wir noch mit Politikern gearbeitet haben festgestellt, dass die basale Metakompetenz Reflexionsfähigkeit, sehr oft nicht in ausreichendem Masse vorhanden war. Gute Kommunikation muss authentisch und kongruent sein, da all dies die Beziehungsebene bestimmt. Eloquenz und gute Rhetorik sind sicher hilfreich aber kein Ersatz für Persönlichkeit. Ein guter Verkäufer ist nicht jemand der Leuten den letzten Mist andreht, sondern den Bedarf von Kunden erkennt und langfristig tragfähige vertrauensvolle Beziehungen schafft.

Die beste Kommunikationstechnik wird zumindest mittelfristig scheitern, wenn die Haltung nicht passt bzw. unehrliche und unethische Motive dominieren. Dem amerikanische Präsident Abraham Lincoln wird das Zitat zugeschrieben: „Man kann das ganze Volk eine Zeit lang täuschen, und man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen, aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen.“ In den Medien wird übrigens sehr oft eine Sammlung von Methoden der „schwarzen Rhetorik“ von Menschen die wenig Kenntnisse in dem Bereich haben, als „NLP-Techniken“ bezeichnet, was üblicherweise nicht zutrifft.

Gute Kommunikation ist extrem wirkungsvoll und mächtig und wie die Geschichte zeigt, kann man das Teile des gesamten Volkes (auch Mehrheiten) ziemlich lange täuschen. Trotzdem oder gerade deshalb vertreten wir einen anderen Zugang, der nachweislich deutlich nachhaltiger ist. Wenn Sie also Führungsaufgaben und damit Verantwortung übernehmen, sei es in Politik, Wirtschaft oder als Lehrerinnen oder Eltern arbeiten sie vor allem an den Grundlagen. Sind diese ausreichend vorhanden und stabil, werden sie feststellen um wieviel leichter es Ihnen fallen wir gut zu kommunizieren. Dann macht ein gutes Kommunikationstraining und eine entsprechende Weiterbildung Sinn. Führungskräftetrainings die nicht bei der Entwicklung von Persönlichkeiten, also Basiskompetenzen ansetzen werden nicht den gewünschten Erfolg bieten. Leo Rosten, ein amerikansicher Autor und Sozialwissenschftler sagt “First-rate people hire first-rate people; second-rate people hire third-rate people.”. Nur entwickelte Persönlichkeiten erkennen entwickelte Persönlichkeiten und fühlen sich von diesen auch nicht bedroht.