Emotionale Führung

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In diesem Text möchte ich ein spezielles Führungskonzept besprechen. Das Konzept der „emotionalen Führung" von Daniel Goleman den viele von euch als Erfinder der emotionalen Intelligenz kennen. Vorausschicken möchte ich gleich, dass Daniel Goleman das Konzept der emotionalen Intelligenz nicht erfunden hat, sondern es lediglich durch sein Buch „EQ Emotionale Intelligenz" bekannt gemacht hat. Erfunden, wenn man so will, haben es die amerikanischen Psychologen John D. Mayer und Peter Salovey im Jahr 1990.

Jedenfalls hat Daniel Goleman in Anlehnung und auf Basis dieses Konzeptes ein System von Führungsstilen entwickelt, das er in seinem Buch beschreibt. Ich halte wenig von der Idee von Führungsstilen oder der Fokussierung auf Eigenschaften oder Persönlichkeitstypen von Führungskräften.

In diesem Sinne halte ich Golemans Einteilung in resonante Führungspersonen also „gute" und dissonante, also „schlechte" Führungskräfte in der Verallgemeinerung für falsch. Die Zuschreibung von diesen Attributen zu unterschiedlichen Führungsverhaltensweisen, die in unterschiedlichen Situationen mehr oder weniger hilfreich sind, wie sie im weiteren Verlauf von Golemans Buch beschrieben ist, das er mit Richard Boyatzis und Annie McKee geschrieben hat, kommt der Realität schon deutlich näher. Ich werde öfter dieselben Vereinfachungen treffen wie Goleman und von „guten" und „schlechten" Führungskräften sprechen. Denken Sie aber dann daran, dass Verallgemeinerungen immer falsch sind, auch diese.

Ich baue hier auf das Konzept der emotionalen Intelligenz auf, dazu gibt es hier einen eigenen Artikel. Führung ist aktives Beziehungsmanagement. Beziehung stellt wiederum das Ergebnis eines kommunikativen Interaktionsprozesses dar, in dem alles zum Tragen kommt was hier schon über Kommunikation, Haltung usw. gesagt wurde. Das Konzept der emotionalen Intelligenz nimmt eine aus meiner Sicht sehr gute Strukturierung des Feldes vor, was seine Bedeutung für die Fähigkeit zu Führen ergibt.

Die Qualität von Führung als einen sozialen Prozess hängt also von dem ab was Goleman als emotionale und später auch soziale Intelligenz beschreibt. Dabei spare ich mir jetzt auf den akademischen Dauerdiskurs einzugehen, was nun Intelligenz überhaupt sei und ob man das Konzept dieser Emotionalen Intelligenz da überhaupt reinquetschen kann.

Damit könnte man Goleman zu den Persönlichkeitstheorien zählen. Da er aber davon ausgeht, dass diese Fähigkeiten erlernbar sind, würde er eher in den Eigenschaftstheorien landen und da er auf der Basis der emotionalen Intelligenz nun Führungsstile beschreibt, wird die Einordnung in das klassische Schema der Führungstheorien schon ziemlich schwierig. Erst recht, wenn er dann noch erwähnt, dass die unterschiedlichen Stile nicht prinzipiell gut oder schlecht sind, sondern dass dies von der Situation und dem Kontext abhängt. Wenn Sie sich den Text zur Emotionalen Intelligenz und vor allem den Bereich des Beziehungsmanagements, aber auch den Aspekt der Transparenz vor Augen führen, findest Sie hier schon viele Forderungen an Fähigkeiten, die wir als Voraussetzung für die Transformatortische Führung beschrieben haben. Unter dem Begriff Organisationsbewusstsein kann sich auch schon ein grundlegend systemisches Verständnis von Organisationen verstecken, also ist das Konzept der emotionalen Führung, sehr viel komplexer als es vordergründig scheint, doch lass uns die Komplexität wieder etwas reduzieren und auf die postulierten Führungsstile reduzieren.

Goleman unterscheidet sechs unterschiedliche Führungsstile, von denen er vier als „resonant" bezeichnet und zwei als „dissonant". Die resonanten Führungsstile sind visionär, coachend, gefühlsorientiert und demokratisch, die beiden dissonanten sind fordernd und befehlend.

Für jeden dieser Führungsstile gibt es sinnvolle Kontextbedingungen, also ist keine per se gut oder schlecht. Wenn Sie mit dem Konzept des Beziehungskontos vertraut sind, kann man dies auf die Führungsstile umlegen. Resonante Führung zahlt auf das Beziehungskonto ein, dissonante hebt davon ab. Deshalb kann man dissonante Führungsstile auch nicht dauerhaft ungestraft einsetzen. Sie sind aber nützlich, ja sogar unumgänglich in Ausnahmesituationen.

Goleman gibt selbst in seinem Buch einen Überblick über die Stile, Ihre Wirkung und ihren sinnvollen Einsatz:

Visionär

Erzeugung der Resonanz durch Verwirklichung gemeinsamer Träume

Wirkung auf das Klima: äußerst positiv

Anwendung: wenn aufgrund von Veränderungen eine neue Vision gebraucht wird

Coachend

Erzeugung von Resonanz:

Bringt individuelle Ziele mit den Zielen der Organisation in Einklang

Wirkung auf das Klima: sehr positiv

Anwendung: durch gezielte Förderung eines Mitarbeiters seine Fähigkeiten verbessern

Gefühlsorinentiert

Erzeugung von Resonanz

Verbindet Menschen miteinander und schafft Harmonie

Wirkung auf das Klima: positiv

Anwendung: um gespaltene Teams zu einen, in stressigen Zeiten zu motivieren und Verbindungen zu stärken

Demokratisch

Erzeugung von Resonanz

Wertschätzung für den Beitrag der Mitarbeiter; Engagement durch Beteiligung

Wirkung auf das Klima: positiv

Anwendung: um Zustimmung oder einen Konsens zu erreichen oder wertvolle Beiträge von Mitarbeitern zu sammeln

Fordernd

Erzeugung von Resonanz (wirklich??)

Erreichung interessanter herausfordernder Ziele

Wirkung auf das Klima: da oft falsch eingesetzt, häufig sehr negativ

Anwendung: um mit einem hochmotivierten kompetenten Team herausragende Ergebnisse zu erzielen

Befehlend

Erzeugung von Resonanz (wirklich??)

Gibt in Notsituationen eine klare Richtung vor und verringert dadurch Angst und Unsicherheit

Wirkung auf das Klima: da oft missbraucht, häufig sehr negativ

Anwendung: in Krisen, um eine Kehrtwendung in Gang zu bringen, mit problematischen Mitarbeitern

Ich nehme an, es fällt Ihnen zu dieser Aufzählung schon einiges ein. Auch wenn sie hier als unterschiedliche Stile angeführt sind, darf man diese in der Praxis nicht als Arten verstehen, die einzelnen Menschen zugeschrieben werden, auch wenn es möglich ist, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Stile präferieren oder manche auch nicht alle beherrschen.

Man kann aber in einem ersten Schritt sagen, dass eine gute Führungskraft alle diese Stile beherrschen SOLLTE. Das gilt auch, ja möglicherweise sogar besonders für die dissonanten Führungsstile. Wer vermeintlich so „sozial" ist, dass er oder sie nicht in Krisensituationen harte Entscheidungen trifft, und klare Anweisungen geben kann, die keinen Widerspruch dulden, ist bestenfalls ein Schönwetterkapitän und hat nach meiner Ansicht nichts auf einem Führungsposten verloren. Das mag harsch klingen, aber wir werden noch sehen, dass direkte Führung vor allem in Krisenfällen nötig ist, also dort wo der Einsatzbereich der dissonanten Führung liegt.

Eine Vision zu schaffen, diese zu vertreten und zu kommunizieren also eine Art Leuchtturm zu errichten, der eine Richtung vorgibt und sicherstellt, dass diese auch sichtbar bleibt, wenn es nebelig ist, ist grundsätzlich eine gute Idee.

Eine charismatische Führungsperson wird anfangs möglicherweise selbst als Leitfigur agieren, muss aber, diese personifizierte Leuchtturmeigenschaften transzendieren, also an eine „unpersönliche" also abstrakte Vision abgeben, in deren Dienst sie sich selbst stellt. Damit verliert eine charismatische Person tatsächlich nicht an Einfluss, sondern gewinnt möglicherweise sogar. Eine Organisation ist schlussendlich nur ein Werkzeug zur Zielerreichung. Das griechische Wort „Organon" bedeutet ja auch nichts anderes als Werkzeug. Verkürzt gesagt dient die Organisation dem Ziel. Die Führungskraft dient der Organisation bzw. ebenfalls dem Ziel der Organisation. Im Fall von charismatischer Führung muss das Ziel der charismatischen Führungsperson und der Organisation möglichst deckungsgleich sein. Schafft es ein Visionär nicht die eigene Vision von der Person zu trennen, wir das Projekt scheitern, die Vision wird mit dem Visionär sterben.

Im Bereich der Transformatorischen Führung aber auch schon bei Golemans Konzept der emotionalen Intelligenz, haben wir die Forderung angetroffen, zum Wachstum der Mitarbeiter beizutragen bzw. diese zu fördern. Die Fähigkeiten und Leistung der Mitarbeiterinnen sind eine wichtige, oft die wichtigste Ressource einer Organisation. Es liegt also im Interesse der Organisation, diese Ressource zu erhalten oder besser sogar zu vermehren. Gute Führung leistet das.

Der Coachende Führungsstil zeichnet sich durch ein individuelles Eingehen auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden, mit der Absicht deren Fähigkeiten zu entwickeln aus. Das hat auch Konsequenzen für die tägliche Führungspraxis. Ein individuelles Eingehen auf einzelne Individuen setzt neben dem Fähigkeitenbündel der emotionalen Intelligenz, auch ausreichend Zeit voraus. Daraus resultiert, dass die Führungsspanne, also die Anzahl der Personen die direkt geführt werden, nicht besonders groß sein darf. Selbst wenn die Führungsperson alle entsprechenden Kompetenzen aufweist, ist es unmöglich entsprechend hochqualitative Führungsarbeit zu leisten, wenn die Führungsspanne zu hoch ist. In der Praxis empfehle ich eine maximale Führungsspanne von sieben Personen. Das entspricht der Millerschen Zahl von 7+-2 also jener Zahl an Informationseinheiten, die ein Mensch laut dem amerikanischen Psychologen George A. Miller gleichzeitig im Kurzzeitgedächtnis halten kann. Heute wissen wir das das eher die obere Grenze ist. Natürlich ist die Führungsspanne auch von zahlreichen Organisations- und Kontextspezifika abhängig. Meistens ist aber eine hohe Führungsspanne einfach ein Zeichen von schlechter Organisation und das wird dann meistens rationalisiert.

Ähnliches gilt für den gefühlsorientierten Führungsziel, der insbesondere bei auftretenden Konflikten sehr sinnvoll ist. Er ist weniger individualisiert bzw. bezieht sich stark auf Individuen in Gruppenkontexten. Hier hilft es auch, Tools aus dem Bereich der Konfliktkommunikation und der Mediation zu beherrschen.

Demokratische Führung betont die Einbindung der Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse. Hier ist aus meiner Sicht aus mehreren Gründen Vorsicht geboten. Die Letztverantwortung und damit auch die letzte Entscheidung liegen immer bei der Führungskraft. Kontrolle, Verantwortung und Schuld sind unterschiedliche Seiten einer Medaille. Es kann also keine demokratische Entscheidung geben, die gegen die durch die Führungskraft vorgegebene Richtung gerichtet ist. Das bedeutet, dass der demokratische Prozess nicht wirklich frei sein kann und immer Gefahr läuft sich „scheindemokratisch" zu entwickeln. Unternehmensrelevante Entscheidungen und auch solche die unter Zeitdruck stehen, können also meist nicht sinnvoll demokratisch getroffen werden. Gegen eine Einbindung der Mitarbeiterinnen in den Entscheidungsprozess spricht allerdings nichts. Eine gute Führungskraft sollte aber, wenn sie sich gegen Vorschläge von Mitarbeiterinnenseite stellt, dies dann auch gut begründen können. Demokratische Prozesse führen auch oft zu Gewinnern und Verlieren im Abstimmungsprozess. Hier kann es sehr förderlich und konfliktmindernd sein, wenn eine gute Führungskraft eine solche Entscheidung trifft und sie erklärt. Sie übernimmt damit die Verantwortung für die Entscheidung und ist schwerer angreifbar als Mitarbeiter auf derselben Hierarchiestufe. Der Ton macht hier die Musik.

Kommen wir zu den beiden dissonanten Führungsstilen. Diese sind richtig eingesetzt durchaus funktional. Es spricht überhaupt nichts gegen das Setzen entsprechend hoher Standards und die Forderung entsprechende Leistung zu bringen. Im Gegenteil, das kann durchaus motivierend wirken. Dazu müssen die Forderungen gut argumentiert werden, erreichbar und sinnvoll sein.

Management by objectives ist per se nichts Schlechtes. Die meisten Mitarbeiter können aber ein Lied von sehr dummen und unrealistischen Zielen singen und den völlig absurden Forderungen, diese zu erreichen. Das führt zu einer massiven Demotivation und schlussendlich zum Zwang, zu Tricksereien, im schlimmsten Fall zum Betrug. Ein wunderbares Beispiel welche katastrophalen Auswirkungen solche unrealistischen Forderungen haben, stellt der VW-Diesel-Skandal dar. Solche Beispiele in minderschwerer Art sind in den meisten Konzernen anzutreffen. Die entsprechende Dynamik schauen wir uns in einem eigenen Video noch an.

Man kann jedoch generell davon ausgehen, dass globale Forderungen, in denen ein Prozentzeichen vorkommt, egal ob es sich um ein Umsatzwachstum oder eine Kostensenkungsvorgabe handelt, üblicherweise ein Zeichen von schlechter Führung ist, wenn diese nicht von individuellen Subzielen und Maßnahmen begleitet sind. Diese Arbeit machen sich leider schlechte Führungskräfte selten, wenn sie oft per Mail ihre „Zielvorgaben" verteilen. Das ist dann extrem schlecht angewandter fordernder Führungsstil und das was Goleman als dissonant bezeichnet.

Der befehlende Führungsstil ist nichts anderes als eine Extremform des Fordernden. Sein Einsatz sollte auf den absoluten Krisenfall begrenzt sein, da er extrem schnell und performant ist. Wenn entsprechend auf das Beziehungskonto eingezahlt wurde und bereits Vertrauen in die Fähigkeiten der Führungskraft besteht, handelt es sich um die effizienteste Art zu führen.

Geht es im wahrsten Sinne um Leben oder Tod, und müssen extrem unpopuläre Entscheidungen unter starkem Zeitdruck gefällt werden, gibt es keine Alternative. Im Bereich des militärischen Ernstfalles, wo jede Entscheidung bedeutet, dass Menschen sterben, ist leider wenig Platz für resonante Führungsstile. Gelingt es nicht das Beziehungskonto wieder aufzuladen und sinkt das Vertrauen in die Führung und es leidet dadurch die Moral der Truppe und die Performanz sinkt rapide. Das ist gerade in Krisen natürlich verheerend. Je mehr am Spiel steht, umso wichtiger wird gute Führung…. und ich vermute desto seltener ist sie.

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